RLC 2 Stunden Rennen NBR 28.09.2014
Das MinitwinRacing Orga-Team hat ein besonderes Schmankerl als letztes Event der 2014er MTR Saison organisiert: Ein eigenes 2 Stunden Rennen am Nürburgring (für alle Motorräder bis 96PS) im Rahmen des Reinoldus Langstrecken Cup vom Dortmunder MC.
Beim Endurance Rennen tritt das BC Race Team dieses Mal also paarweise auf. Es verbrüdern sich Andreas Enz und Jens Voggeneder zum „Team BC Race“ sowie Marlon Braune und meine Wenigkeit als „Team MSC Langenfeld“. Es verspricht eine Mordsgaudi zu werden. Um uns zu stärken versammeln wir uns bereits am Vorabend und schliessen die Saison beim gemütlichen Abendessen in der Pistenklause ab. Aber um fit für den nächsten Tag zu sein wird der Abend nicht all zu lang und früh gesellen wir uns zu den Schlummertierchen im Lalawald.
Rennsonntag, 06:30 Uhr: Viel zu früh ruft der Wecker die verträumten Seelen aus dem Wolkenbett und erinnert uns an die harsche Realität des Hobbyrennfahrers – Aufstehen, Anmeldung, technische Abnahme und das alles noch vor dem ersten Kaffee… Warum mache ich das gleich nochmal? Ach ja – weil’s Spass macht! Und wenn der Wecker schon kein Mitleid zeigt, dann zumindest Frau Holle – sie ist uns gegenüber gnädig und der Wetterbericht verspricht trotz endseptemberlicher Terminplanung strahlend blauen Eifel-Himmel. Und noch eine freudige Überraschung erwartet uns im Fahrerlager – Sonja und Chris haben endlich den T4 fahrfertig und sind die gesamte Nacht durchgefahren, um uns beim Rennen zu unterstützen! Damit ist das Team zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit zu 99% komplett!
Beim Abendessen haben wir bereits unsere Strategien besprochen. Wir werden sowohl das Training als auch das Qualifying nutzen um die Stints zu testen und die Fahrerwechsel zu üben, denn es sind im 2 Stunden Rennen mindestens 3 Pflichtstops zu absolvieren. Der Rest ist schnell erzählt – freies Training ok - Quali ok - wobei ich in der Quali zum ersten Mal die 2:30,00 Grenze auf dem Nürburgring knacke und frohen Mutes Richtung Rennen schiele. Dank Marlons überragender Leistung qualifizieren wir uns für den 10. Startplatz und Jens & Enz dürfen sogar vom 2. Startplatz ins Rennen gehen.
Gegen Mittag dann ist es endlich soweit und Marlon verlässt die Box in Richtung Startaufstellung. Ich lerne ja aus meinen Fehlern und überlasse daher lieber Marlon den LesMans-Start. LesMans und ich werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Zum Start wird die Flagge geschwenkt und Marlon spurtet los, springt auf seinen Bock und galoppiert davon. Der Start ist gelungen und Marlon verteidigt seinen Startplatz wacker. Im Laufe seinen Turns arbeitet er sich auf den 9. Platz vor und zum Ende der verabredeten 30 Minuten klappt auch der Pitstop reibungslos.
In meinem ersten Turn passiert nicht viel, ausser dass Ingo Hoffmann an mir vorbeischlüpft um sich eine Kurve später selbst über die Fussraste auszuhebeln und sein Rennen im Kiesbett beendet. Respekt an Mike „BigBalls“ Wegner, der den Rest des Rennens als Einmannteam unterwegs ist und das Ding trotzdem souverän nach Hause fährt.
Zum Ende meines Turns verteilt ein Kamerad sein gesamtes Motoröl Ausgangs Mercedes Benz Arena und versaut bis hin zur Fordkurve die Ideallinie. Zudem hatte schon am Vormittag eine MZ einen Motorplatzer in der Hatzenbach und somit sind zwei Passagen der GP Strecke für ein sorgenfreies Angasen unbrauchbar.
Nach 30 Minuten sehe ich Sonjas Signal, dass ich zum Boxenstop reinrollen darf und auch der zweite Boxenstop geht reibungslos über die Bühne. Marlon kämpft sich jetzt wagemutig und angstfrei erfolgreich bis auf den 4. Platz vor. Eigentlich hatte er verabredet ein wenig länger als 30 Minuten draussen zu bleiben aber daraus wurde lediglich eine Runde. Also übergibt er mir nun das Zepter, damit ich den letzten Turn fahren kann und hoffentlich dieses super Ergebniss nach Hause rette.
Aber daraus wird nix! Bereits 10 Minuten vor Ablauf der Renndistanz leidet meine treue SV an Bremsfading. Anfangs noch ganz zart und zögerlich, dann immer stärker! Auf der Uhr stehen noch 5 Minuten plus 2 Runden und ich bremse bereits 100 Meter vor meinen gewohnten Bremspunkten. Ich beschliesse meine eigene Haut zu retten und gebe das Signal zum Fahrerwechsel. Und während ich meine vermeintlich letzte Runde absolviere fängt mein Kopf an zu rechnen – es sind noch vier vielleicht fünf Runden und selbst wenn ich jede Runde 10 Sekunden langsamer bin, geht das trotzdem noch schneller als ein Boxenstop. Ich kneife also die Pobacken zusammen, hole des letzte Quentchen Mut aus den Abgründen meiner Seele und beschliesse dieses verdammte Ding zu Ende zu fahren.
Meine Bremse hingegen, die treulose Tomate verhält sich wie die bösartige Tochter von Herr ver.di und Frau GDL – nicht nur, dass sie grundlos rumzickt! Nein, jetzt wo ich sie am meisten brauche quittiert sie gänzlich den Dienst. Den Bremshebel kann ich inzwischen 200 Meter vor den üblichen Bremspunkten bis zum Lenkerstummel heranziehen und muss trotzdem noch das ein oder andere Mal weit gehen weil der Speed nicht passt. Und in der vorletzten Runde bemühe ich nun auch die Hinterradbremse, die Motorbremse und den Luftwiderstand um einigermassen Geschwindigkeit vor der Kurve abzubauen. Aber jedes Mal wenn ich dann am Kurvenausgang wieder voll am Kabel ziehe frage ich mich ob ich nun endgültig von allen Guten Geistern verlassen bin? Wer ist dieser Wahnsinnige und was zum Teufel macht der mit uns? Kann den nicht bitte einer zur Vernunft bringen? Ich merke wie meine Persönlichkeit sich in all seine unterschiedlichen Bestandteile aufspaltet. Mimimi-Herby will aus dem Bällebad abgeholt werden und sofort nach Hause zu Mama, aber der gaskranke Herr Übelbert erlaubt das nicht. Nein, sitzenbleiben! Weiterfahren Du Muschi! Für Dich – für die Ehre – für’s Team! Engelchen und Teufelchen geben es sich im Schuberth Ultimate Helm Fight.
Die schwarz-weiss-karrierte Flagge erlösst mich aus meinem persönlichem Nirvana und ich erinner mich an das Gefühl meines ersten Rennens im Seriensport am NBR vor 3 Jahren. Auch damals kullerten Freudentränen hinterm Visier in Richtung Kinn, um dann vom Fahrtwind weggeweht zu werden. Aber diesmal war es anders. Diesmal war es intensiver und verwegener und selbst in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir nie vorstellen können ohne gescheit funktionierende Bremse ein Rennen zu Ende zu fahren.
Der Einstieg in den Motorsport war damals eine lang ersehnte Erfüllung meines Jugendtraums und auch wenn meine Leistungen weit hinter meinen Ambitionen zurückhinken blicke ich voller Stolz und Freude auf die erzielten Erfolge zurück. Ich erinnere mich an Nebelschwaden in der Eifel, Hitzeschlachten in Sachsen und Regenstürme in Most. Ich erinnere mich an Stürze, beinahe Stürze, technische Defekte und Disqualifikationen. Ich erinnere mich an Freud und Leid, an gemütliche Grillabende, Hülsenbrot und hart erkämpfte Erfolge.
Aber am meisten, am allermeisten und mit Freude im Herzen erinnere ich mich an Euch! Ich erinnere mich an all Euch Gaskranke, Euch rennsportbegeisterte Adrenalinjunkies mit Benzin im Blut und einem verdammt rostigen Nagel im Kopf. Dieser liebevolle Gemeide an schizohprenen Lebensverweigerern und deren bewunderswertem Pflegepersonal habe ich die drei schönsten Jahre meines Motorradfahrerlebens zu verdanken – ich bin glücklich, dass ich Euch kennen lernen durfte! Ich bin stolz ein Teil dieser Gemeinschaft sein zu dürfen.
Man kann es nicht wegdiskutieren – beim Rennsport fährt ein gewisses Risiko mit und man nimmt es billigend in Kauf. Man riskiert Haut und Haare und opfert den ein oder anderen gesunden Knochen für die gemeinsame Leidenschaft. Es ist aber nicht das Risiko, dass das Leben gefährdet sondern genau diese intensive Lebenslust, die das Leben überhaupt erst lebenswert macht. Ich widme daher diesen Rennbericht allen tapferen Renn-Gladiatoren, die viel Zeit, unendlich Mühe und mit Sicherheit auch ein kleines Vermögen investieren, um an jedem verdammten Rennsonntag wieder Alles zu geben, um sich mit den Besten zu messen. Und ich widme diesen Bericht all den tapferen, selbstlosen Unterstützern – seien sie Ehefrauen oder Freundinnen, beste Freunde, Väter oder Söhne. Ich danke Euch allen!
Bericht: Herbert Höckel
PS: Marlon und ich wurden am Ende doch noch Siebte und Jens & Enz standen mit Ihrem verdienten zweiten Platz sogar auf dem Podium! Gewonnen haben das Rennen mit souveränen 52,5 Sekunden Vorsprung Marco Mölders und Stefan Weidemann - Glückwunsch!!!